[Weihnachtscountdown 2021] Tag 15 - Beitrag 2 - Cindy Holzapfel

Ein weihnachtlicher Einblick in Julias Vorgeschichte

„Hilfst du mir mit der Nachspeise?“ Julias Großmutter erhob sich aus ihrem Ohrensessel und lächelte ihr zu.

„Sehr gerne!“ Sie war froh, dass sie ihrer Mutter aus dem Weg gehen konnte, denn Weihnachten mit dem echten Grinch war alles andere als besinnlich. Julia wusch die Äpfel gründlich ab, bevor sie diese aushöhlte. Jedes Jahr gab es am Heiligen Abend Bratäpfel als Dessert. Das war inzwischen zur Familientradition geworden. In der Küche fühlte sich Julia wohl, denn hier war es warm und sie war umgeben von angenehmen Düften. Während sie die Früchte vom Gehäuse befreite, bereitete ihre Großmutter Sophia ihre leckere Vanillesauce zu. Nachdem die Äpfel mit einer Mischung aus Zimt, Zucker und gehackten Nüssen gefüllt waren, schob sie diese in den Ofen. Sie lehnte entspannt neben dem Herd und beobachtete Sophia, die die Sauce andächtig rührte. Schon als Kind hatte es Julia geliebt, aus dem Topf zu naschen und auch an diesem Abend konnte sie nicht widerstehen.

„Du wirst dir noch die Zunge verbrennen.“ Sophia lachte, denn diese Warnung hatte Julia noch nie abgehalten. Der süße Geschmack nach Vanille breitete sich in ihrem Mund aus und hinterließ einen zarten Film auf ihren Lippen.

„Das schmeckt herrlich! So gut wie du bekomme ich sie nie hin, obwohl ich dein Rezept verwende.“

„Ich bin mir sicher, sie schmeckt bei dir auch hervorragend. Die Kochschürze, die du mir geschenkt hast, ist sehr schön. Damit hast du mir eine große Freude bereitet.“

„Es ist doch nur eine Kleinigkeit. Die Bluse gefällt mir übrigens auch sehr gut. Der Heilige Abend könnte eigentlich entspannt sein, wenn Mama nicht ständig nörgeln würde.“

„Sie kann nicht aus ihrer Haut, aber du weißt doch, dass sie es nicht böse meint, oder?“

„Da wäre ich mir nicht so sicher. Manchmal denke ich, sie verdirbt uns absichtlich das Fest.“ Julia stellte sich ihre Mutter mit grünem Gesicht und grünen Haaren vor und ein böses Lächeln huschte über ihr Gesicht.

„Versuche dich mit ihr zu vertragen. Wer weiß, wie lange ich noch zwischen euch beiden vermitteln kann. Wenn ich nicht mehr da bin, ist sie deine einzige Familie.“ Julia legte den Löffel beiseite und umarmte Sophia. Ihre Haut war weich und roch nach Seife. Bei ihr fühlte sie sich geborgen und geliebt. Sie konnte sich ein Leben ohne ihre Großmutter nicht vorstellen und schon der Gedanke daran, mit ihrer Mutter allein zu sein, ließ sie erschaudern.

„Sag so etwas nicht! Du wirst noch lange bei mir sein. Jetzt sollten wir aber mit den Rührseligkeiten aufhören und die Bratäpfel aus dem Ofen holen. Sie sehen verführerisch aus.“

Vorsichtig hob Sophia die Früchte aus der Ofenform und setzte sie in einen tiefen Teller. Dann übergoss sie diese mit der warmen Vanillesauce und die beiden Frauen trugen die Nachspeise gemeinsam ins Wohnzimmer. Sie wussten nicht, dass dies ihr letztes, gemeinsames Weihnachtsfest sein würde.