Er verbrachte Weihnachten in Wuppertal. In der riesengroßen, bergischen Villa, die er allein bewohnte. Am Heiligen Abend saß er mit einer Flasche Rotwein im Wohnzimmer und sah sich eine Wiederholung von Kevin - Allein zu Haus an.Als der Film endete, war Florian so tief in das Polster eingesunken, dass er das Gefühl hatte, die Couch wolle ihn verschlingen. Er schaltete den Fernseher aus und schloss die Augen. Bis vor ein paar Jahren noch hatte er Weihnachten immer mit seiner Mutter verbracht und sich angehört, dass er ein ewiger Junggeselle blieb, wenn er nicht langsam ans Heiraten dachte.Dann, im Sommer 2030, war sie nach Kanada ausgewandert. Einfach so. Jetzt lebte sie am Kawagama Lake und schickte ihm gelegentlich Fotos per Mail. Sie war glücklich mit ihrem neuen Freund.Es war nicht so, dass Florian ihr das Glück neidete. Sie hatte es verdient, endlich jemanden zu finden, mit dem sie glücklich sein konnte. Aber musste sie unbedingt noch einmal mit einer Internetbekanntschaft durchbrennen?Aus der Musikanlage dudelte Stille Nacht, Heilige Nacht. Florian verfluchte den Tag, an dem er seiner Mutter gezeigt hatte, wie Singlebörsen im Internet funktionierten.Er kämpfte sich seufzend von der Couch hoch, schleppte sich in die Küche und schob ein Fertiggericht in die Mikrowelle. Es war dunkel in der Küche. In der Luft lag der widerliche Duft künstlicher Aromen und heißen Plastiks. Florian holte eine Flasche Rotwein aus dem Weinregal, schraubte den Deckel ab und überlegte kurz, den Wein in ein Glas zu schütten.Dann lachte er tonlos auf. Er hatte eine Flasche Rotwein mit Schraubdeckel in der Hand. Am Heiligen Abend. Allein.Er setzte die Flasche an die Lippen und trank. Die Mikrowelle piepte und Florian stellte die Weinflasche auf die Arbeitsfläche, um sein Festtagsessen heraus zu holen. Ente, Kartoffel und Rotkohl. Bereits fertig gekocht und liebevoll von irgendeiner Maschine eingeschweißt. Florian riss die Folie von der Plastikschale und betrachtete die in gelblicher Brühe schwimmenden Würfel, die sich Kartoffeln schimpften. Dann holte er eine Gabel aus der Schublade und stieß die Kartoffelstücke an, als wollte er testen, ob sie lebten und sich bewegten, wenn man sie anstieß.Sie klatschten von seiner Gabel in ihre matschige Plörre zurück. Florian hielt die Nase über die Plastikschale und roch an dem Zeug, das da vor ihm lag und behauptete, Essen zu sein. Es stank.Er verzog das Gesicht und lehnte sich weg. Vielleicht hatte irgendwo ein Steakhaus auf? Oder er fand irgendwo eine Trattoria? In der Innenstadt gab es einige türkische Restaurants, die mit etwas Glück an Weihnachten geöffnet hatten.Was auch immer er tat, er weigerte sich, Ente essen, bei der man nicht sicher sein konnte, wann sie zubereitet worden war. Er fegte die Plastikschale beherzt in den Mülleimer, schnappte sich seine Jacke und seinen Schlüssel und verließ das Haus.Das ist die Website: autorincarolinhelm.de/dem-wohle-des-deutschen-volkes/ Instagram ist: @autorin_carolin_helm
Samstag, 18. Dezember 2021
[Weihnachtscountdown 2021] Tag 18 - Beitrag 2 - Caroline Helm
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