Mittwoch, 8. Dezember 2021

[Weihnachtscountdown 2021] Tag 8 - Beitrag 4 - Markus Gerwinski

  


Heute zeige ich euch die neuen Cover der Falkenflug-Trilogie und natürlich die Homepage des Autors Markus Gerwinski. (www.markus.gerwinski.de/topic_author/de_index.html).

Auch er hat mir ein kurze Szene, in der ihr die Charaktere in einer inoffiziellen Bonusszene zu Weihnachten kennenlernen könnt, zur Verfügung gestellt.


Gunid war Teil einer dicht gedrängten Menschenmenge. Es erinnerte sie an das Heerlager, doch trug niemand Waffen und die Menschen wirkten fröhlich und entspannt, ja, ausgelassen. Die Gasse säumten Buden wie kleine Holzhütten, an deren offenen Vorderfronten allerlei Ware feilgeboten wurde: Schmuck, Holzschnitzereien, Ledertaschen und Unmengen von Naschwerk. Ein Markt, erkannte sie, aber es musste ein Markt im Feenreich sein. Tausende von Lichtern säumten die Verkaufsstände, keine Fackeln oder Kerzen, sondern Fäuste aus Licht, als hätte jemand die Sterne selbst herabgeholt, um die Buden damit zu bestücken. Von überallher tönte Musik, ohne dass ein einziger Spielmann zu sehen gewesen wäre. Und die Düfte nach Gebäck, Braten, Pilzen und exotischen Gewürzen nahmen ihr schier den Atem, der ihr in weißen Wölkchen in die kalte Luft entwich.
Ragald lief neben ihr und ihr kam zu Bewusstsein, dass sie sich bei ihm untergehakt hatte und es niemanden zu kümmern schien. Die Menschen um sie her trugen sonderbare Gewänder, die in keiner Weise auf den Stand des Trägers schließen ließen. Adlige, Bürger, Freisassen oder Hörige, der Unterschied war unsichtbar, als gäbe es ihn gar nicht. Auch Ragald war dergestalt gewandet, trug eine eng anliegende, blaue Hose, und Gunids Hand in seiner Armbeuge ruhte in den steifen Falten eines Ärmels von schwarzem Leder. Als sie an sich selbst herunterblickte, gewahrte sie eine ähnliche lederne Jacke in Braun sowie Hosen aus einem robusten, blauen Stoff.
So schlenderten sie von Auslage zu Auslage, während sich in Gunids Herzen ein Jauchzen Bahn brach. Bereitwillig, wenn auch mit etwas gequältem Lächeln, ließ sich Ragald von ihr mitzerren zu Ständen mit Gewürzen, Duftölen und Seidentüchern. Zum Lohn blieb auch sie geduldig stehen, als er an einer Bude mit kunstvoll gestalteten Landkarten ins Stöbern verfiel. Ein Stück weiter gönnten sie beide sich Gebäck in Form beschrifteter Herzen – alles war hier beschriftet, die Buden, die Waren ... es schien, als wären sie auf einen Jahrmarkt für Gelehrte geraten. An der nächsten Ecke kosteten sie heißen Wein, verschwenderisch gesüßt mit Gewürzen, von denen sie noch nie gehört hatte.
„Komm“, drängte Ragald sie, nachdem sie ihre Becher geleert hatten, „lass uns langsam zum Mittelaltermarkt gehen.“
„Nur noch diese Gasse“, beharrte sie, doch mit verschmitztem Lächeln und scherzhaft erhobenem Finger schaute er auf sie hinunter und mahnte: „Denk an unseren Auftritt, Große!“
Den Mund zur nächsten Entgegnung geöffnet, stutzte sie. Wovon redete er?, fragte sie sich, als er wieder ihre Hand ergriff. Was für ein Auftritt?
Da war etwas, erinnerte sie sich, während Ragald sie mit sanftem Zug über den farbenfrohen Markt geleitete. Eine düstere Vorahnung machte sich in ihr breit, als die Musik aus dem Nichts und die Sternenlampen hinter ihnen zurückblieben. Vor ihnen öffnete sich ein kleiner Teil des Markts, der ihr vertraut erschien, heimelig, aber auch auf unbestimmte Weise bedrohlich. Dabei herrschte zwischen den dortigen Marktständen die gleiche fröhliche Stimmung. Fackeln erhellten den kleinen Platz und während die Besucher noch immer die gleichen sonderbaren Gewänder trugen, erblickte sie nun an den Ständen Händler in Wams und Kittel, einen Schmied mit Lederschürze, Edeldamen in aufwändigen Kleidern …
„Da bist du ja endlich.“
Die sanfte, freundliche Stimme fuhr ihr wie ein eisiger Schauder ins Mark. Vor ihnen stand sie: klein, liebreizend, im silberdurchwirkten, weißen Kleid und mit Haar wie von gesponnenem Gold. Witlinde.
Sie würdigte Gunid keines Blickes, sondern ergriff sofort die Hand Ragalds, der plötzlich wieder in seiner gewohnten Aufmachung dastand. Anstelle der Hosen trug er nun so enge, schwarze Beinlinge, dass die muskulösen Waden des Schwertkämpfers deutlich hervortraten. Auf seinen schwarzen Locken saß ein kobaltblaues Barett und über seine Schultern spannte sich ein Wams im selben Blau, auf der Brust aufgenäht sein goldgelber Wappenschild mit dem schwarzen Raben.
Gunid streckte die Hand nach ihm aus und wollte ihn ansprechen, doch die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Auf dem Haar fühlte sie das Kopftuch und als sie an sich herabsah, steckte sie wieder in Kittel und Schürze der hörigen Bäuerin. Verloren stand sie da, blickte den beiden Edelleuten hinterher, die nun Hand in Hand der Tanzbühne zu schritten …
… und fuhr mit einem Keuchen aus den Bettdecken empor. Die Kammer lag in völliger Dunkelheit, nur schwach erhellt von Sternenlicht, das seinen Weg durch eine Lücke in den Vorhängen hereinfand. Anstelle der feenhaften Musik durchbrachen allein das ferne Meeresrauschen und Ragalds leises Schnarchen die Stille. Als sie den Kopf wandte, sah sie ihn in dem anderen Bett liegen, zwei Schritte entfernt und doch unerreichbar wie eh und je.
Mit zusammengebissenen Zähnen ließ sie sich in die Kissen zurückfallen und hieb die Faust auf die Matratze. Verärgert blinzelte sie die Tränen fort, die dieser verrückte Traum von einem Feenmarkt in ihr emporgepresst hatte. Ragald hatte Recht, sagte sie sich innerlich. Es wurde wirklich höchste Zeit, dass sie dem Zauberer und seinem verwünschten Turm den Rücken kehrten.

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