Weihnachtsfrieden, oder auch nicht
Der erste Schneefall des Winters kündigte zugleich vom Einzug einer Weihnachtsstimmung. Diese prallte an einer einzigen Person vollständig ab. Vielleicht lag es an einer gewissen Erwartungshaltung, die man bei seinem Anblick unweigerlich bekam. Ein Engel sollte sich mit der heiligsten Zeit des Jahres in freudiger Erwartung auseinandersetzen. Auf diesen Engel des Todes traf das offenbar nicht zu, wie Vincent bewies. Allerdings hatte er an diesem 6. Dezember die Rechnung ohne seinen Mitbewohner gemacht, der so gar nicht das Klischee eines übellaunigen Dämonenboten vertreten wollte.„Viny, du bist unausgeglichen. Mal ehrlich, Weihnachten kommt, wir haben Nikolo und du nicht mal zum Advent einen Kranz besorgt. Von Kerzen ganz zu schweigen.“„Wenn du die Wohnung abfackeln willst mit trockenem Grünzeug, dann zünd das Gestrüpp an, das du als Weihnachtsbaum bezeichnest. Warum auch immer der schon jetzt geschmückt hier stehen muss“, erwiderte der Engel und nippte an seinem Kaffee. Zeitgleich langte er nach der Zigarettenpackung und dem Feuerzeug.„Viny, ich weiß genau, warum du so übellaunig bist.“„Weil ich mit dir zusammenwohne?“Für einen Moment war Merfyn geschockt, aber er kannte den Engel zu gut, um beleidigt zu sein. „Nein, du Trottel. Ich weiß, was heute für ein Tag ist.“„Uh, du kannst also den Kalender lesen. Großartige Leistung, Merfyn.“„Ja, ja. Aber du weißt genau von was ich rede.“„Nein.“ Die Reaktion erfolgte trotz der Schnelligkeit mit einem Anflug von Verunsicherung. Vincent wusste es, Merfyn wusste es und bald würde die ganze Welt die Wahrheit für dessen Laune kennen.„Komm schon, Viny, so was ist kein Geheimnis und muss auch nicht derart gehütet werden.“„Halt die Klappe.“„Viny, es gibt Leute die haben ein viel blöderes Pech bei ihrem …“„Merfyn!“„… Geburtstag. Da fällt das genau auf den 24.12. Du hast da noch Glück. Der 6.12. ist ein ganz neutrales Datum. Und mein Gott, dann bist du halt schon ein alter Knacker. Da musst du doch nicht unleidig sein. Schau mal, ich habe dir sogar einen Zigarettenadventkranz gebastelt.“Voller Begeisterung schob Merfyn sein Machwerk aus Geburtstagskuchen und Glühwein über den Tisch. Die erste Zigarette hatte er bereits angezündet. Fröhlich rieselte die Asche auf die Glasur, während er sich nicht verkneifen konnte zu sagen: „Und ich habe nur vier Kerzen genommen, damit du dich nicht alt fühlst.“Das kurzfristige Gefühl von Weihnachtsfrieden und Freude über Merfyns Bastelarbeit endete so abrupt, wie es bei Vincent eingesetzt hatte. Über die nachfolgenden Tage zwischen den beide wollen wir jedoch lieber den Mantel des Schweigens legen. Immerhin war die Vorweihnachtszeit angebrochen, obwohl ein bestimmter Dämon diese mit einem Gipsarm zubringen musste.
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