Donnerstag, 2. Dezember 2021

[Weihnachtscountdown 2021] Tag 2 - Beitrag 4 - Ava Cooper

Szene aus 
„Die Traumkriegerin: Die Glocken des Krieges“ (Traumkriegerin-Reihe 3)


»Darf es noch etwas Brot sein?« Höflich hielt Talisha Zita einen Korb mit Früchtebrot hin, das es traditionell beim Jularfest als Vorspeise gab.
Sie hatten darüber nachgedacht, die Feier abzusagen, weil Talisha noch weniger Lust als sonst verspürte, ihre zänkische Schwiegermutter zu sehen. Krian legte ohnehin keinen Wert auf Feste. Allerdings brannte Talisha darauf, Zyan und Alina zu treffen. Da sie aber nur entweder alle oder niemanden einladen konnten, hatten sie sich für Ersteres entschieden. Immerhin war das Lichterfest ihre Lieblingsfeier. Sie konnte kaum erwarten, es mit Krian zu begehen.
Daher versuchte sie, Zitas unzufriedene Miene zu übersehen, mit der sie das duftende Brot betrachtete, das die Köchin mit viel Liebe gebacken hatte. Vermutlich hatte sie Angst, nicht satt zu werden. Dabei würde gleich das Hauptgericht aufgetischt. Aber das schien Zita nicht mitbekommen zu haben, weil sie hingebungsvoll über die Kälte zeterte, die Mejan’alta seit Winterbeginn im Griff hielt.
»Es ist so eisigkalt bei euch! Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mir noch ein Unterkleid angezogen«, jammerte sie theatralisch. »Selbst im Schloss ist es klamm.«
Dabei fand Talisha es viel zu warm in ihrem Heim. Krian, der seine Stiefmutter ja kannte, hatte die Diener bereits angewiesen, die Kaminfeuer ordentlich anzuheizen. Obwohl sie nur ein Kleid trug, schwitzte sie wie an einem heißen Sonnentag. Wie konnte Zita nur frieren? Zugegeben, das daranische Klima war um einiges wärmer. Selbst im Winter wurde es niemals kalt, wie Krian ihr erzählt hatte. Im Gegensatz zu seiner Stiefmutter, die nun sogar in ihre Hände hauchte, schien er den Wechsel der Jahreszeiten aber zu genießen.
»Ich kann dir eine Decke bringen lassen«, bot Talisha an. »Wenn du sie über deine Beine legst, wird dir sicher warm.«
Ohne ein Wort des Dankes nickte Zita. Sofort lief ein Diener los und kam bald mit einer kuscheligen Decke aus Lammfell wieder. Mit einer Verbeugung reichte er sie Zita, die sie hastig über ihre Beine warf. Auch wenn sie immer noch unzufrieden aussah, verstummten zumindest ihre Beschwerden. Talisha atmete insgeheim auf und Krian grinste sie an.
»Wie geht es denn deinem Enkelkind?«, bemühte Alina sich, das Gespräch in unverfänglichere Bahnen zu lenken.
Sofort strahlte Zitas Gesicht und sie ließ sich lang und breit darüber aus, was für ein agiler Kerl der kleine Zoran war. »Er versucht schon, zu krabbeln. Dabei ist er erst ein paar Decimas alt. Das wird ein echter Kämpfer, sag ich euch!«
Alina lächelte sie freundlich an. »Das muss sehr schön für dich sein! Nichts geht über kleine Kinder.«
Talisha bemühte sich, ebenfalls Begeisterung zu mimen. Doch ihr Herz war noch immer schwer vor Trauer, wenn sie an das Leben dachte, das sie verloren hatte. Sie warf Krian einen prüfenden Blick zu, der jedoch keine Regung zeigte.
»So geht das bei uns den ganzen Tag. Wenn man meiner Mutter zuhört, könnte man glauben, mein Neffe sei der wiedergeborene Nevaro«, flüsterte ihr Zyan zu, der auf der anderen Seite zwischen ihr und dem Shar saß, und verdrehte die Augen. »Zum ersten Geburtstag lässt sie ihm sicher einen Tempel bauen, damit alle ihn genauso verehren können.«
Talisha musste ein Lachen unterdrücken. Krians Bruder hatte das besondere Talent, jeden in seiner Umgebung aufzuheitern. Dankbar drückte sie seine Hand, während sie weiter lauschten, wie Zita von ihrem Wunderenkel schwärmte. Diese leichte Konversation begleitete sie den ersten Gang.
Nachdem die Diener die Vorspeise abgeräumt hatten, wurde das eigentliche Festmahl aufgetischt: Unmengen verschiedener Fleischsorten, eingelegtes Gemüse und dampfende Kartoffeln. Talisha wusste nicht, wer das alles verzehren sollte. Von den Resten würde sicher noch die komplette Dienerschaft satt. So hatten sie heute wenigstens auch etwas Besonderes zu essen.
Mit sichtlichem Wohlgefallen häuften sich die Daranier Berge an Fleisch auf ihre Teller, während Talisha und ihre Mutter sich lieber an dem Gemüse bedienten. Eine Weile aßen sie schweigend, bis Karanas die Stille durchbrach: »Jetzt sind es nur noch ein paar Tage, bis das Mittelland austritt – den Norden habt ihr ja schon verloren. Wie wollt ihr denn eigentlich eure Macht wieder festigen?«
Das war genau die Frage, die Talisha von ihm erwartet hatte – auf die sie aber keine Antwort wusste. Ebenso wenig wie Krian, der seinem Vater ausweichend antwortete: »Darüber denken wir noch nach.«
»Na, dann beeilt euch mal! Lange kann ich die Penanga nicht mehr zurückhalten.«
»Du hast mir dein Wort gegeben.« Krian sah Karanas eindringlich an. Dabei glaubte Talisha, eine Spur schlechten Gewissens in seinem Blick zu sehen. Hatte er etwa eine Vereinbarung mit ihm getroffen, von der sie nichts wusste?
Der Shar zuckte mit den Schultern. »Junge, du kannst nicht von mir erwarten, dass unsere Männer bei diesem Treiben tatenlos zusehen. Sobald das Mittelland nicht mehr zu den Vereinigten Traumreichen gehört, sind wir an keine Bündnispflichten gebunden.«
»Aber dich verpflichtet immer noch dein Versprechen.« Krians Stimme wurde lauter.
»Dann halte du dich auch an deins!«
Grimmig funkelten sich Vater und Sohn an.
Alina sah Talisha fragend an, doch sie schüttelte lediglich den Kopf. Sie wüsste selbst zu gern, welches Abkommen die beiden miteinander getroffen hatten.
»Dürfen wir anderen auch erfahren, worum es geht?«, fragte sie daher mit scharfem Unterton.
Karanas lächelte sie mit falscher Freundlichkeit an. »Nichts, was weiter wichtig wäre. Eine Vereinbarung unter Männern. Nicht wahr, mein Sohn?«
Krian schien kurz zu zögern, nickte aber. »Ganz recht. Wir versuchen nur, den Zerfall des Reichs zu verhindern.«
»Und das soll nichts Wichtiges sein?«, entfuhr es Alina.
Talisha runzelte die Stirn. »Das ist unsere Aufgabe, Krian, vielmehr unsere Bestimmung. Gemeinsam. Als Dovina.«
»Ganz recht«, gab er hitzig zurück. »Allerdings bist du anscheinend nicht bereit, dafür etwas zu opfern.«
»Wie kannst du das nur sagen? Ich tue alles, damit unsere Reiche weiter in Frieden leben können.«
»Glaubst du das wirklich?«, fragte er gefährlich leise. »Sieh es doch ein: Dein vermeintlich friedlicher Weg führt uns geradewegs in einen Krieg. Inara und Janoran müssen ihre gerechte Strafe bekommen, sonst greifen die Penanga bald an. Aber nicht unter dem Kommando meines Vaters, sondern unter Danos’ Knute. Wir werden alles verlieren und das Reich versinkt in Blut und Chaos. Das werde ich nicht gestatten!«
Wie konnte Krian dieses heikle Thema nur vor allen so deutlich ansprechen? Warum musste er seinem Vater nur immer beweisen, dass er ein harter Herrscher war?
Karanas klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. »Ganz recht, mein Sohn! So habe ich dich erzogen. Lass dir nichts gefallen, sondern hol dir das zurück, was dir zusteht.« In seinen Augen glitzerte der Machthunger unverhohlen.
Krian wirkte zwar überrascht ob des Ausbruchs, dennoch freute er sich offensichtlich über das Lob seines Vaters. Sein Gesicht leuchtete regelrecht.
»Mein Bruder macht das schon«, unterstützte ihn nun auch Zyan. »Den Gegner habe ich noch nicht erlebt, mit dem er nicht fertig wird. Stimmt’s?« Er knuffte ihn lachend.
Talisha starrte Krian nur sprachlos an. Sicher, sie wusste, wie sehr es ihn danach verlangte, Inara und Janoran zu bestrafen. Aber sie hätte nicht erwartet, dass er zornig auf sie war, weil sie weiterhin auf Besonnenheit setzte.
»Das meinst du hoffentlich nicht ernst!«, sprach Alina aus, was Talisha dachte. »Ein Angriff kann nie die Lösung sein.«
»Das sagt ihr Remavoner immer«, knurrte Karanas. »Aber glaubt es oder lasst es sein: Nichts ist schlimmer als ein Machtvakuum. Eure Schwäche stärkt eure Gegner. Ihr müsst hart durchgreifen, um das Reich an euch zu binden.«
»Nein!«, rief Talisha heftig. Obwohl sie Karanas antwortete, richtete sie ihren Blick auf Krian. »Das löst einen Bürgerkrieg aus. Inara hat sich mit den Widdermännern verbündet. Wenn wir angreifen, werden sie ihnen zu Hilfe eilen. Sie sind starke Gegner. Vor allem Janoran.«
»Pah«, sagte Karanas. »Wollt ihr euch ewig wegen eines einzelnen Drachen in die Hose machen?«
Doch Krian schüttelte ernst den Kopf. »Du kennst seine Stärke nicht. Ich habe sie erlebt, als ich mit dem Siluren verbunden war. Sie ist zerstörerisch.«
Talisha merkte, die Erinnerung an dieses schockierende Erlebnis verband ihn wieder enger mit ihr. »Ganz genau. Deswegen dürfen wir nichts riskieren. Zumindest nicht, solange die Siluren nicht wissen, wie sie seine Kraft nur vorübergehend blockieren können«, sprach sie ihm ins Gewissen. »Sie können seine Transformationsfähigkeit nur durch den goldenen Kristall ganz aus ihm herauslöschen.«
»Dann sollen sie das halt machen!«, forderte Krian.
Talisha schüttelte es vor Entsetzen. »Auf keinen Fall. Diese Fähigkeit ist so sehr ein Teil der Gestaltwandler, dass die Siluren diese Strafe nur in absoluten Ausnahmefällen verhängen. Der einzige Gestaltwandler, der jemals damit bestraft wurde, starb nur kurze Zeit später«, erklärte sie und seufzte.
»Wäre nicht besonders schade um ihn«, knurrte Krian und verschränkte die Arme vor der Brust.
Sie warf ihm einen strafenden Blick zu. »Er ist auch nicht gerade mein Favorit, aber das können wir nicht zulassen. Außerdem ... wer weiß, ob wir diese Kraft eines Tages sinnvoll einsetzen können? Die Mutter wird ihre Gründe haben, Janoran mit dieser Gabe zu segnen. Lass uns warten, bis die Siluren eine bessere Lösung finden. Dann können wir die beiden sogar gegen ihren Willen vor Gericht stellen.«
»Ziemlich viel Wenn und Aber«, murrte Karanas.
Krian nickte bekräftigend.
Wieso war er auf einmal so versessen auf Rache? Wegen seines Vaters? Sie legte eine Hand auf seine. »Ich bitte dich, habe Vertrauen in Antropoles. Und in uns.«
Krian zögerte kurz. Schließlich drückte er ihre Hand. »Das habe ich. Also gut, wir versuchen es weiter mit Milde. Wenn du mir versprichst, dass wir Inara und Janoran den Prozess machen, sobald die Siluren einen anderen Zauber haben.«
»Ich verspreche es.« Erleichtert lächelte sie Krian an. Dann wandte sie sich an Karanas. »Wirst auch du deine Männer von einem Angriff abhalten?«
Karanas verzog zornig sein Gesicht, hatte sich jedoch schnell wieder unter Kontrolle. Mit dem üblichen jovialen Lächeln versprach er: »Wir werden nicht angreifen. Zumindest nicht, solange die Cavaleras uns in Ruhe lassen.«
»Das ist nur fair.« Talisha musterte ihn misstrauisch. Er hielt sich bestimmt irgendeine Option offen, an die sie nicht dachte. Widerwillig verdrängte sie den Gedanken. »Wollen wir nun hinaus zu den Feuern gehen?«
Alina schaute sie bedeutsam an. »Ihr beide solltet seine Kraft nutzen. Vielleicht erhört die Mutter euch.«
»Was meinst du damit?«, wollte Krian wissen.
»Wenn die Mutter heute das Sonnenkind gebärt, das der Natur das Leben zurückgibt, schenkt sie Fruchtbarkeit«, antwortete Talisha ihm. »Es ist daher Tradition, dass Paare, die sich Kinder wünschen, über das Jularfeuer springen.«
Er lächelte sie sanft an. »Dann sollten wir vorsichtshalber ein paarmal darüberhüpfen.«

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