Montag, 20. Dezember 2021

[Weihnachtscountdown 2021] Tag 20 - Beitrag 5 - Sitara Snow

Ich stoße die Tür auf und mir bietet sich ein Bild, mit dem ich niemals gerechnet hätte. Im Laufe meiner Zeit mit Damon bin ich schon einigen Anblicken begegnet, die ich niemals für möglich gehalten hätte. Aber diese Szene übertrifft alles.
Cadan steht auf einem Stuhl und hängt eine bunte Lichterkette auf, während ihm eine Zuckerstange aus dem Mund ragt. Als er mich bemerkt, erstarrt er für den Bruchteil einer Sekunde. Dann befestigt er das Ende der Kette und steigt hinab. Mit einer kampflustigen Geste zieht er die Zuckerstange zwischen seinen Lippen hervor und richtet sie auf mich wie ein Schwert.
„Ist das dein Werk?“ Er gibt mir nicht die Chance, zu antworten, sondern spricht sofort weiter. „Hast du meinen Bruder dazu gebracht, all diesen erbärmlichen Kitsch aufzuhängen?“
„Hast nicht gerade du diesen Kitsch aufgehängt, den du als erbärmlich bezeichnest?“
Ich schenke ihm ein breites Lächeln, das er mit einem giftigen Zischen erwidert. Immer noch die angeknabberte Zuckerstange in seiner Hand haltend, läuft er in die Küche. Damon kommt hinter dem riesigen Tannenbaum, an dem unzählige rote Kugeln hängen, hervor und grinst.
„Er würde es niemals zugeben, aber er liebt Weihnachten.“
„Warum überrascht mich das nicht?“
Ich stelle die Taschen, aus denen die Schleifen der Geschenke hervorblitzen, neben den leuchtenden Schneemännern ab und gehe zu ihm. Weißer Glitzerstaub hat sich in seinen dunklen Haaren verfangen, ohne dass er es bemerkt zu haben scheint. Er sieht damit so verlockend aus, dass ich fast vergessen könnte, was für eine Macht sich in ihm verbirgt. Meine Finger streichen durch die samtweichen Strähnen und fangen das helle Funkeln auf.
Seine Hand schließt sich um meinen Nacken und zieht mich fest an sich, während seine Augen mich mit einem dunklen Verlangen fixieren. Ich könnte diesen Blick mittlerweile gewohnt sein. Ich bin es nicht. Ich hoffe, ich werde es niemals sein. Sein Körper brennt sich eiskalt in meine Haut und ich muss darum kämpfen, ein Stöhnen zu unterdrücken. Sein Mund ist mir so nah, dass ich die tiefen Züge seines Atems auf mir spüren kann.
„Und was wirst du mir schenken?“
Rau und fordernd klingt seine Stimme in meinem Inneren nach und lässt mich erschaudern. Ich atme tief seinen Duft nach dunklen Kirschen ein.
„Habe ich dir nicht schon letzte Nacht alles geschenkt, was du dir wünschen könntest?“
Seine Lippen, die so perfekt erscheinen, als wären sie gerade aus Marmor gemeißelt worden, verziehen sich zu einem Lächeln. Sein Griff um meinen Nacken wird fester. Ich spüre, wie sich seine Fingerspitzen in meine Haut bohren.
„Und wirst du es mir wieder schenken?“
Ich kann mich nicht mehr beherrschen. Ich ziehe ihn zu mir hinab, meine Lippen treffen auf seinen Mund und ich sauge seinen wunderbaren Geschmack in mir auf. Meine Zunge drängt sich nach vorne, während er mich immer noch fest umfangen hält. Ich kann seine harten Muskeln unter meinen Händen spüren und presse mich enger an seinen Körper. Ein tiefes Knurren entweicht seiner Kehle und verliert sich in unserem Kuss. Zwischen uns brennt ein köstliches Verlangen.
„Bevor ihr übereinander herfallt, können wir dieses Dekoinferno beenden?“
Cadans kalte Stimme dringt gewohnt störend in die Hitze ein. Langsam lösen wir uns voneinander. Ich werfe ihm einen Blick zu und muss lächeln, als ich sehe, dass die Zuckerstange in seinem Mund mittlerweile zu einem winzigen Stück geschrumpft ist. Er tut so, als würde er es nicht merken und beginnt damit, die Lichterfiguren am Fenster anzubringen. Ich löse mich von Damon, was mein Körper nur widerwillig geschehen lässt, und helfe Cadan bei der Befestigung.
„Ich habe auch ein Geschenk für dich.“
„Nichts könnte mich weniger interessieren.“ meint er knapp und macht damit weiter, die Rentiere an die Glasscheibe zu kleben.
Ich reiche ihm den Tesafilm und sehe ihn still von der Seite an. Meine Augen ruhen auf seinen weißblonden Haaren, die wie immer glatt zurückgestrichen sind und sich kaum von der blassen Farbe seiner Haut unterscheiden. Ich kann deutlich erkennen, wie die knallrote Glasur der Zuckerstange ihre Spuren auf seinen hellen Lippen hinterlassen hat. Es sieht fast süß aus.
Als wir mit unserer Aufgabe fertig sind, verbindet Damon die Kabel mit der Steckdose und die Figuren leuchten vor uns auf. Die Reflexionen der Lichter spiegeln sich in Cadans Antlitz und verleihen ihm einen dämonischen Heiligenschein. Er betrachtet unser Werk einen Moment lang still und ich glaube, in seinen Augen einen leichten Anflug von Wärme erkennen zu können.
„Was für ein Geschenk hast du denn für mich?“ fragt er, seine Stimme so übertrieben beiläufig und desinteressiert klingen lassend, dass ich mich beherrschen muss, um nicht zu lachen.
Ich hole eines der Päckchen aus der Tüte und reiche es ihm. Misstrauisch betrachtet er es, als könnte sich in dem schwarzen Geschenkpapier, auf dem silberne Sterne funkeln, eine Bombe befinden. Seine schlanken Finger öffnen es langsam und konzentriert. Sobald er den Inhalt erblickt, weiten sich seine Augen und sein Mund bleibt offen stehen. Als ihm bewusst wird, dass wir ihn ansehen, setzt er schnell wieder seinen unbeteiligten Gesichtsausdruck auf.
„Was ist das?“
Sein Versuch, den Anschein zu erwecken, als wüsste er nicht, was er in den Händen hält, entlockt Damon ein spöttisches Grinsen. Ich spiele Cadans Spiel mit, denn schließlich ist Weihnachten, und antworte ihm freundlich.
„Das ist die komplette Serie Supernatural. Es geht um zwei sehr attraktive Brüder, die gemeinsam übernatürliche Wesen jagen und bekämpfen.“
„Und manchmal machen sie auch mehr als das mit ihnen.“
Ich übergehe Damons zweideutigen Kommentar, auch wenn ich ein amüsiertes Lächeln nicht unterdrücken kann, und spreche weiter.
„Es ist die limitierte Special Edition. Mit herausgeschnittenen Szenen, Kommentaren des Regisseurs, Interviews mit den Schauspielern, exklusiven Einblicken hinter die Kulissen und noch ganz viel mehr. Ich habe ewig im Internet danach gesucht und bin extra zu dem Verkäufer gefahren, weil er es nicht verschicken wollte. Ich dachte, sie könnte dir gefallen.“
Aufgeregt sehe ich ihn an. Ich habe lange überlegt, was ich ihm schenken könnte. Ich weiß, dass er ein riesiger Fan der Serie ist, obwohl er immer versucht hat, es zu verheimlichen. Auch wenn ich mir sicher bin, dass ihm dieses Geschenk gefallen wird, bleibt doch noch ein kleiner Zweifel in mir. Gespannt warte ich auf seine Reaktion. Er starrt mich einige Sekunden lang unbewegt an.
Dann zuckt er die Schultern und meint knapp: „Vielleicht schaue ich mal rein.“
Ich spüre Enttäuschung in mir aufsteigen. Ich hoffte wirklich, ihm damit eine Freude machen zu können. Natürlich erwartete ich keinen überschwänglichen Jubel. Schließlich ist er Cadan. Aber nach all der Mühe wäre wenigstens ein kurzes Danke nett gewesen.
Ich versuche, mir meine Gefühle nicht ansehen zu lassen und will mich gerade abwenden, als ich plötzlich zurückgezogen werde. Bevor ich überhaupt begreifen kann, was passiert, finde ich mich in Cadans Armen wieder. Es ist eine unbeholfene und steife Berührung, aber sie drückt eine Zuneigung aus, die voller Wärme meine Brust erfüllt. Als er sich wieder von mir löst, blickt er zu Boden und wirkt für einen kurzen Augenblick fast verlegen. Dann dreht er sich abrupt um und geht aus dem Zimmer. „Ich sollte mal nach dem Essen sehen.“
Damon und ich wechseln einen amüsierten Blick. Mit dem Kochen werden wir erst beginnen, wenn Zoe da ist. Und das weiß Cadan ganz genau.
„Viel Spaß mit deinen Jägern! Lass dich nicht von ihnen fangen!“
Cadan quittiert die spöttische Bemerkung seines Bruders mit einem undeutlichen Knurren, ohne sich zu uns umdrehen. Er ist schon fast im Flur verschwunden, als er plötzlich nochmal einen Blick zurückwirft. Streng fixiert er uns.
„Solltet ihr euch wieder nicht beherrschen können, dann geht wenigstens ins Schlafzimmer. Ich will nicht hier reinkommen und sehen, wie ihr es inmitten von Schneemännern treibt. Ich habe dieses Jahr schon genug gelitten.“
Die Tür schlägt hinter ihm zu und wir können nicht mehr an uns halten. Wir brechen in lautes Lachen aus. Ich lasse mich auf den roten Teppich vor dem Weihnachtsbaum fallen und blicke in die hellen Lichter hinauf. Tief atme ich den würzigen Geruch der Tannennadeln ein. Ich spüre, wie Damons Körper verheißungsvoll über mir schwebt. Er stützt sich mit seinen Armen neben meinem Kopf ab und sieht auf mich hinab.
„Wie wäre es, wenn du jetzt ein Geschenk von mir bekommst?“ fragt er und der raue Ton seiner Stimme lässt eine Gänsehaut über meinen Rücken laufen.
„Hast du deinen Bruder nicht gehört? Er hat schon genug gelitten für dieses Jahr.“
Neckisch sehe ich ihn an. Obwohl er mich nicht berührt, kann ich deutlich die dunkle Energie spüren, die von seinem Körper ausgeht und sich prickelnd auf meiner Haut ausbreitet. Noch liege ich ganz still da, aber ich weiß, dass ich der Versuchung nicht mehr lange werde widerstehen können. Alles in mir verlangt danach, ihn zu berühren, ihn zu schmecken, ihn zu spüren.
„Ein bisschen mehr Leid verträgt er noch.“
Seine Lippen verziehen sich zu einem teuflischen Grinsen. Hungrig presst er sie auf meinen Mund und lässt mich seinen bittersüßen Geschmack kosten. Inmitten von Schneemännerfiguren, beobachtet von Rentieren aus Lichterketten und umgeben von Glitzerstaub, fallen wir übereinander her.


Befriedigt und erschöpft strecke ich mich aus. Mein Blick gleitet durch das Zimmer und über die Verwüstung, die wir angerichtet haben. Mit dem Dekorieren werden wir wohl noch mal von vorne beginnen müssen. Aber das ist mir gerade völlig egal. Im Moment bin ich einfach nur glücklich. Seine Arme umfassen mich sanft und ich kuschel mich an ihn.
„Frohe Weihnachten.“

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