Mittwoch, 15. Mai 2024

[Blogtourbeitrag] Dir allein vertraute deine Seele von Meike Schiek - Aus dem Leben eines Lehrers

 


Jetzt da ich über diesem Bericht sitze, ist es alles andere als leicht, diesen Beitrag zu verfassen, denn man muss selbst als Lehrer in die Reflexion gehen. Sich unangenehmen Fragen stellen, wie z.B.: Hat man betroffenen Schülern zugehört? Hat man richtig gehandelt? Hat man es vielleicht sogar schlimmer gemacht, da man es aufgedeckt hat?

Ja, all das sind Fragen, die man sich als Lehrer stellt. Vor allem dann, wenn man nicht weghört, denn sind wir ehrlich zueinander, dann ist jedem ein "friedlicher" Unterricht, ohne viel Aufsehen am liebsten. Warum? Jedes Aufdecken von Mobbing bedeutet eine Wagenladung an Arbeit, die meist nicht gesehen wird (außer vom Betroffenen) und außerhalb der Unterrichtszeit stattfindet.

Klingt das hart? Vielleicht. Aber das ist Alltag bei Lehrern.

Ein Beispiel: Ich hatte in einer Klasse einen Schüler, der etwas dunkler war, als alle anderen in der Klasse. Für mich, die Kollegen und alle anderen kein Problem. Allerdings hatte der Schüler an sich schon ein Problem mit seiner Hautfarbe und begann sich selbst ins Lächerliche zu ziehen, Witze zu reißen über "Schwarze" (der Ausdruck ist hier absichtlich gewählt, weil er ihn für sich auch immer wählte). Zunächst belächelte man ihn, sagte nichts dazu, aber dann begannen auch seine Klassenkammeraden auf den Zug aufzuspringen und es wurde immer schlimmer. Vergleiche zu Affen wurden gezogen und schließlich ist jedes Mal der Schüler schier ausgerastet, wenn man nur das Wort schwarz benutzt hat. Dann begann die schwere Aufgabe, dieses Problem aufzuarbeiten und es brauchte viel Arbeit, denn auch zu Hause war nicht alles in Ordnung und auch dort erfuhr er nur das, was er mit in die Schule genommen hat. Es wurde nicht nur die Schulsozialarbeit gebraucht, sondern auch die Schulpsychologie und andere Ämter, um das wieder halbwegs gerade zu biegen und er leidet bis heute unter seinem selbst aufgebauten Hautfarben-Shaming.

Ein anderes Beispiel ist, dass eine Schülerin sich immer mit den Worten "ich bring dich um" gegen die Klassenkammeraden gewehrt hat, egal wie klein die Aussagen war. Hier schaffte ich als Lehrer erst den Durchbruch, als sie eines Tages nicht mehr in die Schule gekommen ist und wir sie erst Stunden später in einem Park verletzt gefunden haben. Die Schülerin öffnete sich und wir konnten als Schule endlich agieren und nicht nur im trüben fischen, was vielleicht zu Hause passiert. Wir mussten hier das Jugendamt einschalten, sie wurde sogar der Mutter weggenommen und sie kam zu ihrem Vater, das ihr sehr gut tat. Nun hat diese Schülerin sogar wieder mit mir Kontakt aufgenommen und hat sich bedankt, dass ich damals nicht weggesehen habe, obwohl es für sie (wie für mich) ein Schock war, wie weit die Folgen der Meldung gingen.

Aber es gibt natürlich auch das stumme Mobbing in der Schule, wo man selbst als Lehrer lange Zeit braucht, um es zu bemerken. Jetzt fragt sich bestimmt ein jeder, wie kann man Mobbing nicht bemerken? Seid ihr Lehrer alle doof, blind oder taub?

Gute Frage! Und die Antwort ist nein.

Wir stehen tagtäglich in der Klasse, arbeiten mit den Kindern und Kinder sind leider meistens still. Sie leiden still, sagen nichts und erst wenn man Vertrauen aufbaut, öffnen sie sich einem und das braucht meistens Zeit und die hat man aber in schlimmen Fällen nicht.

Mein Glück oder Pech (?) ist es, dass die Kids mir Vertrauen, zu mir kommen, sich mir anvertrauen und ich meist ihre schlechte Mood in mich aufsauge wie ein Schwamm. Gemeinsam schauen wir mit Direktion, Eltern, Jugendwohlfahrt, Schulpsychologie und Schulsozialarbeit, wie wir das beste aus der Situation herausholen können.

Allerdings ist das ein langer Prozess, der im Hintergrund abläuft und das Kind meist weiterleidet, denn trotz Gesprächen und Arbeit in den Klassen, wird es nicht geschafft es ganz abzustellen, dass Kinder aufeinander losgehen.

Aber lasst euch eines gesagt sein: Selbst wenn es nur kleine Sticheleien, ein blöder Spruch oder eine Handbewegung sind, irgendwann wird das Opfer zum Täter und man hat das Problem, dass ein Schüler einen anderen versucht zu erwürgen oder zu erstechen. Das kann so plötzlich, ohne Vorwarnung passieren, dass man nicht reagieren kann und das ist das momentane Leben eines Lehrers in der Schule.

Mobbing ist allgegenwärtig und man darf davor nicht die Augen schließen, sich aber auch selbst nicht vergessen, denn die Gesundheit und da gehört auch mental health dazu, haben wir nur einmal, deswegen schaut auf euch und schaut hin, wenn euch etwas auffällt.

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