Wo Schnee nach Liebe riecht
(Lisa Torberg)
# 7 (July und Stephen am Morgen)
»Du willst es wirklich nicht verstehen. Muss wohl die Midlifecrisis sein.«»Blödsinn! Ich bin gerade vierzig geworden! Da sind Männer erst auf dem Weg ins beste Mannesalter.«»Behauptet wer? Sag nicht, du hast das in einer dieser idiotischen Zeitschriften gelesen, die drüben im Wartezimmer aufliegen.«»Sei nicht so frech. Ich bin Arzt, schon vergessen?«»Also für mich bist du einfach nur mein Vater, der seit seinem runden Geburtstag keinen Wert mehr auf sein Aussehen legt.«»Was redest du denn da?« Entsetzt springt er auf und schaut auf seine Tochter hinunter, die einen Schritt zurückmachen und den Kopf ein wenig in den Nacken legen muss, um seinen Blick zu erwidern. Das ist kleingeistig, aber es erfüllt den Zweck. Es fühlt sich an, als ob sie beide wieder in ihren richtigen Rollen wären. Er der Ältere, sie die Jüngere – nicht umgekehrt. »Der ist gerade erst ein paar Wochen her, und ich bin immer noch derselbe.«»Bist du nicht.« Sie schüttelt den Kopf und funkelt ihn an. »Mit diesen Haaren und den Bartstoppeln siehst du aus wie einer dieser alternden Möchtegern-Bad-Boys, die nicht begreifen, dass ihr Zug längst abgefahren ist.«Schockiert starrt er seine Tochter an. »Das hast du jetzt nicht gesagt.«»Doch, habe ich, du hast es ja gehört. Aber wenn du meinst, dass ich unrecht habe, musst du ja nur Lizzie fragen, sobald du rüber in die Praxis gehst.«»Warum sollte ich das mit unserer Arzthelferin diskutieren?«»Weil sie in erster Linie eine gute Freundin und viel mehr als nur eine Angestellte ist.«»Scarletts Freundin«, präzisiert er.»Auch deine, schon ewig. Vor allem aber ist sie eine Frau und hat Augen im Kopf. Oder du wartest bis heute Abend und fragst deine Schwester, was sie denkt. Die ist nicht deine Gehaltsempfängerin und garantiert ehrlich.«Stephen schluckt. »Ich bin kein Möchtegern-Bad-Boy. Ich war nie der Typ, den man in eine Schublade stecken kann.«»Aber du warst heiß, Daddy. Liam hat mir davon erzählt, wie die Mädels auf den Teamkapitän des Ruderteams abgefahren sind.« Sie öffnet ihre Arme, lässt sie neben dem Körper nach unten hängen.»Quatsch. Er ist einige Jahre jünger als ich, erinnert sich nicht richtig.«»Doch, das tut er. Du warst sein Idol und eine Art großer Bruder für ihn.«»Damit hast du die Antwort. Er hat irgendetwas idealisiert, war verblendet.«»Du kannst meinetwegen noch stundenlang versuchen, dich herauszureden, Daddy, es bringt nichts. Das sind die Fakten. Du warst heiß. Jetzt bist du bestenfalls lauwarm.«
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